Ungelesener Beitrag Mi 10. Mär 2010, 10:18

Schlaganfall: Alarmsignale im Voraus erkennen

Medizin-und-Psychologie

Schlaganfall: Alarmsignale im Voraus erkennen

Von Andreas Grote. Aktualisiert am 01.03.2010

Jeder Achte der jährlich 12'000 Hirnschlagpatienten wird vorher bereits «gestreift». Wer bei Streifungsanzeichen sofort zu einem Arzt geht, kann das Schlimmste oft noch verhindern.
Ein Hirnschlag ist ein katastrophales Ereignis. Verklumpte Blutplättchen verstopfen dabei die Blutgefässe, die das Gehirn mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Wird die Durchgangssperre nicht schnellstens wieder aufgelöst, fällt innerhalb von Minuten bis wenigen Stunden nach und nach die Kontrolle über die Gliedmassen und schliesslich auch lebenswichtige Funktionen irreparabel aus.

Etwa jeder Achte der jährlich 12'000 Hirnschlagpatienten in der Schweiz bekommt schon Tage oder sogar Wochen vorher eine mehr oder weniger deutliche Warnung, indem ihn der bevorstehende Hirnschlag nur «streift». Wer jetzt schnell einen Arzt oder sogar eine spezialisierte Spitalabteilung aufsucht, hat sehr gute Chancen, den richtigen Hirnschlag zu vermeiden.

Streifung: Sofort zum Arzt

Die Symptome der Streifung – medizinisch Transiente Ischämische Attacke (TIA) genannt – sind identisch mit einem richtigen Hirnschlag. Allerdings ist die Arteri enverstopfung nicht so ausgeprägt, die verklumpten Blutplättchen können sich noch einmal von selbst auflösen. Trotzdem kommt es vorübergehend zur plötzlichen Lähmung von Gesicht, Arm und Bein, zu Sprach- oder Verstehensproblemen, Gehschwierigkeiten und Schwindel, plötzlicher Taubheit oder Schwäche einer Körper- oder Gesichtshälfte. Die meisten der Beschwerden verschwinden innert weniger Minuten, manche bleiben mehrere Stunden.

«Die Dauer oder Ausprägung einer Streifung sollte nicht Anlass sein, zu zweifeln, ob nun ein Arztbesuch angeraten ist oder nicht», so Heinrich Mattle, Leiter der sogenannten Stroke Unit am Inselspital in Bern. «Auch eine vorübergehende Streifung sollte wie ein akuter Hirnschlag als Notfall betrachtet werden.»

Wird sofort nach der Streifung mit der exakten Diagnose und Spezialbehandlung begonnen, dann lässt sich das Risiko für einen richtigen Hirnschlag innerhalb der besonders gefährdeten folgenden drei Monate um 80 Proz ent senken, zeigen Studien. Unbehandelt dagegen folgt bei jedem zwanzigsten Gestreiften der richtige Hirnschlag binnen 48 Stunden, bei jedem zehnten in den nächsten drei Monaten.

Analyse in der Stroke Unit

Bei TIA-Symptomen ist daher der rasche Gang zum Arzt, in eine Notfallstation oder idealerweise in eine spezialisierte Spitalabteilung dringend angeraten. Stroke Units gibt es in den Universitätskliniken Zürich, Basel, Bern, Genf und Lausanne sowie in einigen (Kantons-)Spitälern. Sie verfügen über neurologische Spezialabteilungen mit modernen Diagnose- und Therapiemöglichkeiten für den Hirnschlag. Hier wird die Gerinnselbildung gehemmt. Gleichzeitig wird unverzüglich nach der Ursache für die Durchblutungsstörung gesucht, denn der richtige Hirnschlag kann bereits innert weniger Tage folgen. Auf der Spezialabteilung wird in enger Zusammenarbeit mit der Neuroradiologie mit einem speziellen Bilddarstellungsverfahren, einem MRI, im Gehirn und in den Hirnarterien nach bestimmten Schädigungen gesucht, die bei Durchblutungsstörungen auftreten und solche verursachen könnten. «Dann ist auch sicher, dass nicht ein epileptischer Anfall oder eine Migräne die Symptome ausgelöst haben», erklärt Mattle. Weitere Untersuchungen klären die Ursache der verklumpten Blutplättchen. In den meisten Fällen sind grosse Blutgefässe beteiligt, eine arteriosklerotische Verengung der Halsschlagader oder Herzrhythmusstörungen.

Das Risiko aktiv verkleinern

Die Therapie umfasst nicht nur Medikamente: Der Mediziner wird auch auf den Patienten einwirken, die persönlichen Risikofaktoren zu minimieren. Dazu gehören insbesondere hoher Blutdruck, Rauchen, Diabetes mellitus, hohe Cholesterinwerte und Übergewicht.

Allerdings nutzen nicht alle die Chance, die ihnen eine TIA gibt. Laut Schätzungen bleibt jede vierte Streifung unerkannt. Zum einen ist da die Scham, wenn es darum geht, als Notfallpatient den Arzt au fzusuchen oder gar den Krankenwagen vor den Augen der Nachbarn vor die eigene Tür zu bestellen. Man überlegt sich gut, ob die Symptome wirklich so schlimm sind und hofft und wartet, dass sie wieder verschwinden.

«Viele Menschen wissen aber gar nicht, eine TIA zu deuten, oder hoffen, die Symptome gehen wieder vorbei», sagt Mattle. Eine Umfrage, die der Insel-Neurologe mit Kollegen und Medizinstudenten unter 422 Berner Bürgern durchführte, zeigte, dass nur 8,3 Prozent wussten, dass es sich bei einer TIA um Hirnschlagsymptome handelt, die binnen 24 Stunden wieder von selbst verschwinden. Nur 2,8 Prozent der Befragten war bekannt, dass eine TIA Vorbote eines Hirnschlags sein kann und Sofortmassnahmen nötig sind.

Noch wichtiger ist allerdings die Prävention, damit es erst gar nicht zu den Durchblutungsstörungen kommt. «Aufhören mit dem Rauchen, mehr Bewegung und gesünder Ernähren sind wichtig, um die Auslöser für Hirnschlag und TIA wie Diabetes, Blutho chdruck, schlechtes Cholesterin und Übergewicht zu verhindern», so Heinrich Mattle. (Berner Zeitung)

Erstellt: 01.03.2010, 11:10 Uhr
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